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Karl-Hermann Flach 1972 als FDP-Generalsekretär, zwischen FDP-Chef Walter Scheel (links) und Hans-Dietrich Genscher, damals Innenminister.

© picture-alliance/dpa/Egon Steiner

Karl-Hermann Flach: Frühe Uni-Jahre eines liberalen Stars

Karl-Hermann Flach war ein Star des deutschen Sozialliberalismus der 60er und 70er Jahre. Prägende Jahre verbrachte er am Vorläufer des Otto-Suhr-Instituts der FU Berlin, seine Studentenakte ist bis heute erhalten.

Von Christian Walther

Es war knapp für Karl-Hermann Flach im Oktober 1949 in Schwerin: Vierzehn seiner politischen Freunde wurden verhaftet und vor ein sowjetisches Militärtribunal gestellt. Drei wurden in Moskau hingerichtet, die übrigen zu Zwangsarbeit verurteilt. Der Vorwurf: Spionage, antisowjetische Propaganda und Aufbau einer konterrevolutionären Untergrundorganisation. Keine Frage: Der linksliberale Kreis um den Jurastudenten Arno Esch stand in offenem Gegensatz zu SED und Stalinismus. Und Karl-Hermann Flach gehörte dazu. Doch er entkam.

Flach, 1929 in Königsberg geboren, war Mitglied der Hitlerjugend und als 15-Jähriger im Krieg. Der Vater, ein Sägewerkdirektor, wird vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verschleppt, er selbst kann sich nach Mecklenburg durchschlagen. Bald geht’s in Rostock wieder zur Schule. Doch Flach bekommt Tbc, muss in die Heilanstalt, bricht die Schule ab.

Er beginnt, als freier Journalist zu arbeiten. Im folgenden Sommer wird er Volontär der „Norddeutschen Zeitung“, einem Blatt der Liberaldemokratischen Partei (LDP). Schon bald wird Flach in die Landeshauptstadt Schwerin versetzt, wird Redaktionsassistent, Redakteur und macht schließlich sogar die Urlaubsvertretung für Chefredakteur Helmut Bulle. Der allerdings wird bald darauf nach Streit mit der sowjetischen Militäradministration verhaftet.

Eine Verhaftungswelle bricht los, er flieht nach West-Berlin

Im Herbst ‘49, kurz nach Gründung der DDR, endet auch Flachs Arbeit für die „Norddeutsche“ abrupt. Er wusste von einer ihm drohenden Anklage wegen „infamer Beleidigung einer Person des öffentlichen Lebens“, nämlich eines SED-Landrates, und als die Verhaftungswelle gegen den Kreis um Arno Esch losbrach, begibt er sich sofort auf die Flucht nach West-Berlin.

Die ersten Tage verbringt er in der Pension Pelikan in Halensee. Er durchläuft das Notaufnahmeverfahren und gibt an, dass er eine Beschäftigung bei der Presse anstrebt oder ein Studium an der Deutschen Hochschule für Politik. Beides klappt. Flach, der kein Abitur hat, beantragt die Zulassung zum Vollstudium. Dazu gibt es ein persönliches Gespräch mit dem Direktor der DHfP, dem späteren Regierenden Bürgermeister Otto Suhr (SPD): „Begabtenprüfung“ nannte man das.

Begabtenprüfung bei Otto Suhr, dem späteren Regierenden

Studiengebühren werden dem inzwischen anerkannten Flüchtling, der überwiegend von 70 DM Sozialunterstützung lebt, erlassen. Er ist als Untermieter in der Wiesbadener Straße 58E untergekommen und zieht 1951 um in ein Zimmer in der Sybelstraße 24. Die DHfP residiert in ihren Anfängen ganz in der Nähe: Albrecht-Achilles-Straße 65/66, in einem für die Lignose-Sprengstoffwerke errichteten Bürohaus. Schon bald aber zieht auch sie um in die Badensche Straße 50-51, später Sitz der Fachhochschule für Wirtschaft, heute der Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Flach nutzt das breite Studienangebot: Er ist bei Stammer und setzt sich mit „Theorie und Praxis der pressure group“ auseinander, bei Dovifat am Beispiel der „Berliner Ballade“ mit „Film als publizistischem Mittel“, ein andermal mit der „publizistischen Technik in der totalitären und demokratischen Welt“. Bei Suhr geht es um „politische Soziologie und die Wissenschaft von der Politik“. Die Ökonomin Brigitta Schieb bewertet seine Beteiligung am Seminar „Wie lese ich den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung“ mit „gut, teils besser“. Ossip K. Flechtheim urteilt, Flach habe bei seinem Referat zur Zukunft der amerikanischen Politik „entscheidende Punkte übersehen“, kommt aber wegen des guten Vortrags zu einem „voll befriedigend“.

Engagiert im Studentenparlament

Zugleich engagiert sich Flach im Studentenparlament der DHfP, bei den Deutschen Jungdemokraten und in der FDP. Zwei Semester muss sich Flach beurlauben lassen, weil seine Tbc nicht ausgeheilt ist und er nach St. Blasien und Wehrawald in die Lungenheilstätten eingewiesen wird. Ihm werden mehrere Rippen entfernt – er bleibt zu „66 2/3 % erwerbsbehindert“.

Doch Flach lässt sich nicht bremsen. Zur Finanzierung des Studiums arbeitet er als Reporter beim „Nordwestdeutschen Rundfunk“, der damals ein Studio am Heidelberger Platz hatte. Ferner schrieb er für Zeitungen und das „Informationsbüro West“, eine auf Informationen aus der DDR spezialisierte und von der Bundesregierung finanzierte Agentur.

Am Ende des Studiums 1953 besteht er die Diplomprüfung mit der Gesamtnote „gut“. Die Teilnoten für Theorie und Empirie der Politik fallen besser, die für Außenpolitik schlechter aus – am besten („gut bis sehr gut“) wird der Ergänzungsbereich Publizistik bewertet. Otto Suhr stellt ihm eine Bescheinigung aus, in der es heißt: „Seine besondere Begabung liegt eindeutig auf journalistischem Gebiet.“

Ein Manifest zum sozialliberalen Aufbruch der FDP

Auch nach seinem Weggang aus Berlin blieb Flach dem Journalismus treu. Er wechselte zwar zeitweilig in die Dienste der FDP, stieg aber 1962 als Leiter der Innenpolitik in die Redaktion der „Frankfurter Rundschau“ (FR) ein, wurde geschäftsführendes Mitglied der Chefredaktion und zuletzt zusätzlich auch Prokurist des Verlags. Vor allem seinem Wirken wird die linksliberale Profilierung der FR zugeschrieben.

1971 publizierte Flach seine Streitschrift „Noch eine Chance für die Liberalen“, die zum Manifest des sozialliberalen Aufbruchs in der FDP wurde: „Die Befreiung des Liberalismus aus seiner Klassengebundenheit und damit vom Kapitalismus ist [… ] die Voraussetzung seiner Zukunft.“

Flach meldete sich im selben Jahr „aus der Reserve in den aktiven Dienst der FDP zurück“ und wurde Generalsekretär der Partei, die ihre Programmarbeit bald darauf mit den legendären „Freiburger Thesen“ krönte. Flach allerdings starb bereits im August 1973, mit gerade einmal 43 Jahren.

Jutta Roitsch, lange Ressortleiterin Wissenschaft bei der „Frankfurter Rundschau“, weiß von der innigen Beziehung zwischen Redaktion und Flach. Mit einer Petition hatte sie ihn 1971 dazu bewegen wollen, nicht zur FDP zu wechseln. Er sei „der Garant für die Unabhängigkeit und das Profil des Blattes“. Er ging dennoch.

Als Flach dann am 25. August ‘73 nach einem Schlaganfall nicht mehr erwachte, „saßen wir in den Redaktionen, hackten auf den Schreibmaschinen herum, schnipselten, klebten und redigierten unsere Texte mit Tränen. Ich habe eine solche Trauer und ein solches Gefühl des Verlusts in den 33 Jahren meines aktiven Journalismus nie wieder erlebt.“

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